Zitate und Sprüche aus Nachtzug nach Lissabon

Zitate und Sprüche aus Nachtzug nach Lissabon

Nachtzug nach Lissabon ist ein Roman von Pascal Mercier (Pseudonym von Peter Bieri) aus dem Jahr 2004.

Wir lassen etwas von uns zurück, wenn wir einen Ort verlassen, wir bleiben dort, obgleich wir wegfahren. Und es gibt Dinge an uns, die wir nur dadurch wiederfinden können, dass wir dorthin zurückkehren.
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Dass Worte etwas bewirkten, dass sie jemanden in Bewegung setzen oder aufhalten, zum Lachen oder Weinen bringen konnten: Schon als Kind hatte er es rätselhaft gefunden, und es hatte nie aufgehört, ihn zu beeindrucken. Wie machten die Worte das? War es nicht wie Magie?
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Was ist es bloß, was wir Einsamkeit nennen? Es kann nicht einfach die Abwesenheit der anderen sein, man kann allein sein und überhaupt nicht einsam, und man kann unter Leuten sein und doch einsam, was also ist es? Gut, sagte er, es geht nicht nur darum, dass andere da sind, dass sie den Raum neben uns ausfüllen. Doch auch wenn sie uns feiern oder in einem freundschaftlichen Gespräch einen Rat geben, einen klugen, einfühlsamen Rat: Selbst dann kann es sein, dass wir einsam sind. Einsamkeit ist also nicht etwas, das einfach mit der Anwesenheit der andere zu tun hat, und auch nicht mit dem, was sie tun.
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Wie wäre es nach dem letzten Satz? Der letzte Satz, den er immer befürchtet hat, und vom der Mitte des Buches an, wurde er immer gequält von dem Gedanken, dass ein letzter Satz unvermeidlich sein würde.
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Was habe ich von Deiner Phantasie gewusst? Warum wissen wir so wenig über die Phantasie unserer Eltern? Was wissen wir von jemandem, wenn wir nichts über die Bilder wissen, die seine Einbildungskraft ihm zuspielt?
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Wenn wir über uns selbst, über andere, oder nur über Dinge reden, wollen wir gerne zeigen wer wir sind, und etwas von uns selbst verraten und mit unseren Worten wollen wir zeigen, was wir denken und fühlen. Wir lassen die andere unserer Seele ein bisschen sehen.
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Ich liebe Tunnels. Sie sind das Symbol der Hoffnung: das Licht wird wieder scheinen. Wenn es nicht zufällig Nacht ist.
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Ist es nicht in Wahrheit so, dass nicht die Menschen sich begegnen, sondern die Schatten, die ihre Vorstellungen werfen?
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Das Leben ist nicht das, was wir leben; es ist das, was wir uns vorstellen zu leben.
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Ein Gefühl ist nicht mehr das Selbe, wenn es zum zweiten mal kommt. Es verfärbt sich durch das Gewahren seiner Widerkehr. Wir werden unserer Gefühle müde und überdrüssig, wenn sie zu oft kommen und zu lange dauern.
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Warum bedauern wir Leute, die nicht reisen können? Weil sie sich, indem sie sich äußerlich nicht ausbreiten können, auch innerlich nicht auszudehnen vermögen, sie können sich nicht vervielfältigen, und so ist ihnen die Möglichkeit genommen, weitläufige Ausflüge in sich selbst zu unternehmen und zu entdecken, wer und was anderes sie auch hätten werden können.
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Kann Gott einen Stein schaffen, den er nicht zu heben vermag? Wenn nein, dann ist er nicht allmächtig; wenn ja, dann ist er es auch nicht, denn nun gibt es den Stein, den er nicht heben kann.
Von tausend Erfahrungen, die wir machen, bringen wir höchstens eine zur Sprache. Unter all den stummen Erfahrungen sind diejenigen verborgen, die unserem Leben unbemerkt seine Form, seine Färbung und seine Melodie geben.
Die Menschen ertragen die Stille nicht, es würde heißen, dass sie sich selbst ertrügen.
Wir Menschen halten die Welt für eine Bühne, auf der es um uns und unsere Wünsche geht. Dabei ist keine Spur davon wahr. Das Universum ist einfach da und es ist ihm vollkommen gleichgültig, wirklich vollkommen gleichgültig, was mit uns geschieht.
Es ist der Tod, der dem Augenblick seine Schönheit gibt und seinen Schrecken. Nur durch den Tod ist die Zeit eine lebendige Zeit.
Wer möchte im Ernst unsterblich sein? Wer möchte bis in alle Ewigkeit leben? Wie langweilig und schal es sein müsste zu wissen: Es spielt keine Rolle, was heute passiert, in diesem Monat, diesem Jahr: Es kommen noch unendlich viele Tage, Monate, Jahre. Unendlich viele, buchstäblich. Würde wenn es so wäre, noch irgend etwas zählen? Wir bräuchten nicht mehr mit der Zeit zu rechnen, könnten nichts verpassen, müssten uns nicht beeilen. Es wäre gleichgültig, ob wir etwas heute tun oder morgen, vollkommen gleichgültig. Millionenfache Versäumnisse würden vor der Ewigkeit zu einem Nichts, und es hätte keinen Sinn, etwas zu bedauern, denn es bliebe immer Zeit, es nachzuholen.
In der Jugend leben wir, als seien wir unsterblich. Das Wissen von der Sterblichkeit umspielt uns wie ein sprödes Band aus Papier, das kaum unsere Haut berührt. Wann im Leben ändert sich das? Wann beginnt das Band, uns enger zu umschlingen, bis es uns am Ende würgt? Woran erkennt man seinen sanften, doch unnachgiebigen Druck, der uns wissen lässt, dass er nie mehr nachlassen wird? Woran erkennt man ihn bei den anderen? Und woran bei sich selbst?
Wenn immer und überall Zeit für alles und jedes ist: Wo sollte da noch Raum sein für die Freude an Zeitverschwendung?
Er hielt Melancholie für eine zeitlose Erfahrung und war der Meinung, dass sie etwas vom Kostbarsten sei, was Menschen kennen. "Weil sich in ihr die ganze Zerbrechlichkeit des Menschen zeigt".
Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist - was geschieht mit dem Rest?
Der Strom der Gedanken, Bilder und Gefühle, der jederzeit durch uns hindurchfließt, er hat eine solche Wucht, dieser reißende Strom, dass es ein Wunder wäre, wenn er nicht alle Worte, die jemand anderes zu uns sagt, einfach wegschwemmte und dem Vergessen übereignete, wenn sie nicht zufällig, ganz und gar zufällig, zu den eigenen Worten passen.
Der Zug kann jederzeit entgleisen. Ja, meistens erschreckt mich der Gedanke. Doch in seltenen, weißglühenden Momenten durchzuckt er mich wie ein seliger Blitz.